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Liebe, Wut, Trauer, Hass, Entkommen, Seifenblase, Baum

 

Zwangsstörung (Zwangserkrankung) ist eine häufige psychische Störung. Die Betroffenen müssen immer wieder bestimmte Handlungen oder Gedankengängen folgen, obwohl diese meist als unsinnig oder belastend empfunden werden. Solche Zwänge können das gesamte Leben beeinträchtigen.

Zwangssymptome sind in ihrem Erscheinungsbild sehr vielgestaltig. Symptome können sehr unterschiedlich aussehen, gemeinsam ist allen jedoch, dass sie sehr zeitaufwändig sind, zu einer deutlichen Beeinträchtigung im Alltag und einer Verringerung der Lebensqualität führen.

Am häufigsten beziehen sich solche Zwangshandlungen auf Themen wie  Ordnung, Sauberkeit, Kontrolle oder Reinlichkeit. Betroffene fürchten dabei beispielsweise unheilbar zu erkranken (zum Beispiel an HIV) oder einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verursachen. Beim Waschzwang spüren  die Betroffenen zum Beispiel den Drang, immer und immer wieder die  Hände zu waschen oder stundenlang zu duschen.

Wie entstehen Zwangsstörungen? 

Was Zwangsstörungen im Einzelnen verursacht, ist nicht restlos erforscht. Die Ursachen einer Zwangsstörung sind multifaktoriell (mehrere Ursachen), finden sich aber vor allem in der Genetik und  eine gestörte Balance von Hirnbotenstoffen, aber vor allem auch ungünstige Lernerfahrungen (meist schon im Kindes- und Jugendalter) und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Meist ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren notwendig, welche individuell unterschiedlich sind.

Experten gehen davon aus, dass bestimmte Faktoren in der Erziehung oder persönliche Lernerfahrungen bei der Entstehung von Zwängen mitwirken. Dazu zählen beispielsweise eine übertriebene Sauberkeitserziehung und ein ängstlicher Erziehungsstil. Auch berichten Zwangsbetroffene gehäuft von früher körperlicher und emotionaler Vernachlässigung und frühen Verlusten von Bezugspersonen, beispielsweise ein früher Tod eines Elternteils. Bei vielen Betroffenen spielen Trennungs- und Verlustängste eine Rolle, ganz besonders auch bei Sammelzwängen (Pathologisches Horten, im englischen „Hoarding Disorder“).

Manche Patienten können für ihre Zwangsstörung individuell eine bestimmte Ursache erkennen, beispielsweise ein Waschzwang nach einer Vergewaltigung. Später ruft bereits der Anblick oder die Vorstellung von Schmutz  Angst und Anspannung hervor. Die Betroffenen lernen, die innere Anspannung durch Waschen und Reinigen abzubauen, sich kurzfristig besser zu fühlen (negative Verstärkung). Doch die Erleichterung hält nur bis zum nächsten Reiz an. Langfristig werden Zwangshandlungen immer häufiger und komplexer, zunehmend bestimmen Zweifel und Unsicherheit den Alltag.

Wann ist es eine Zwangsstörung und wie äußert sich diese?

Eine Zwangsstörung zeichnet sich durch wiederkehrende unerwünschte Gedanken und/oder Handlungen aus. Die Betroffenen wissen meist um die Unsinnigkeit, sind aber nicht in der Lage, auf die kurzfristig erleichternd wirkenden ritualisierten Handlungen zu verzichten. Unterschieden werden dabei Zwangshandlungen, Zwangsgedanken oder  Zwangsimpulse. Häufige Zwangserkrankungen sind Wasch-, Kontroll- oder Ordnungszwänge.

Der Übergang vom „normalem Verhalten“ zur Zwangsstörung ist dabei  fließend: Die  Meisten kennen das Gefühl, am liebsten zweimal  kontrollieren zu wollen,  ob man das Bügeleisen auch tatsächlich  ausgeschaltet hat. Leidet jemand an einer Zwangserkrankung, wird dieses  Bedürfnis zum  nicht unterdrückbaren Zwang. Der Betroffene kann nicht  anders, als  wieder und wieder zu kontrollieren – oder bestimmte  Handlungen  auszuführen oder stereotype Gedankengänge zu verfolgen.

Versuchen Betroffene, die Handlungen zu unterdrücken, tritt Angst oder Anspannung, bei vielen auch ein Ekelgefühl auf. Die  Zwangshandlungen dienen dazu, diese unangenehmen Gefühle kurzfristig zu  vermindern und wieder mehr Sicherheit zu erlangen.

Welche Zwangsstörungen gibt es und welche Symptome?

Waschzwang

Beim Waschzwang befürchten die Betroffenen, sich oder andere Menschen durch Berührung mit gefährlichen Substanzen oder Erregern anzustecken oder zu schaden. Die durch die unangenehmen Vorstellungen verursachte Angst und Ekelgefühle können vermeintlich nur durch umfangreiche Putz- oder Reinigungsrituale gemindert werden. Bei einer Unterbrechung wird der Vorgang wiederholt. Hierbei waschen sich die Betroffenen öfters die Hände wund.

Kontrollzwang

Der Kontrollzwang ist dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen sich immer wieder über bestimmte Dinge absichern müssen, zum Beispiel ob der Herd ausgeschaltet ist, ob die Wohnungstür zugeschlossen ist, ob die Fenster alle zu sind, und so weiter. Der Druck, diese Dinge kontrollieren zu müssen, ist beim Kontrollzwang sehr hoch, so dass die Betroffenen so viel Zeit und Energie in die Kontrollen investieren müssen, dass dadurch andere Aktivitäten des alltäglichen Lebens sowie die Lebensqualität der Betroffenen leiden.

Wiederholungszwang

Beim Wiederholungszwang bezeichnet man den übermäßigen Drang, bestimmte Bereiche des Alltags, wie zum Beispiel bestimmte Teile der Wohnung oder Gegenstände, immer wieder reinigen zu müssen. Die Betroffenen erleben dabei oftmals eine ausgeprägte Angst vor Verunreinigungen und/oder vor möglichen Krankheitserregern, die oftmals auch mit ausgeprägten Ekelgefühlen beim Anblick von Verunreinigungen verbunden ist. Bei nicht einhalten dieser Rituale, löst es ein Gefühl von Sorge, Ängste und Katastrophendenken aus.

Zählzwang

Zum Beispiele wären Schritte zählen. Andere Betroffene kennen vorrangig den Druck, bestimmte Objekte immer wieder zählen zu müssen, wie zum Beispiel vorbeifahrende Autos, Pflastersteine usw. Bei einigen Betroffenen besteht darüber hinaus der Drang, auch bestimmte Handlungen nach festgelegte Zählritualen durchführen zu müssen. Passieren dabei „Fehler“, muss es von vorne  beginnen. Andernfalls – so fühlt es sich für den Betroffenen an – droht  eine selbst verschuldete Katastrophe.

Ordnungszwang

Der Ordnungszwang ist dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen immer wieder versuchen, bestimmte Alltagsgegenstände nach einer bestimmten Ordnung oder Symmetrie anzuordnen. Solche  Zwangshandlungen laufen meist nach selbst definierten „Regeln“ ab, daher auch Zwangsrituale. Oft muss dabei gezählt und der ganze Vorgang  wiederholt werden. So entsteht schließlich ein komplexes Ritual, das  exakt befolgt werden „muss“.

Sammelzwang

Der Sammelzwang, also das zwanghafte Sammeln bzw. Anhäufen von Gegenständen, kann die Betroffenen und ihre Angehörigen sehr stark belasten. Bei vielen Erkrankten nimmt das zwanghafte Sammeln über Jahre immer weiter zu, bis es dann so ein großes Ausmaß erreicht, dass die Betroffenen in ihrer Wohnung und/oder an ihrem Arbeitsplatz zunehmend eingeschränkt sind.

Was sind Begleitsymptome für eine Zwangsstörung?

Menschen mit einer Zwangsstörung berichten zudem von Schwierigkeiten auch außerhalb des Zwanges mit unangenehmen Gefühlen umgehen zu können. Schuld, Wertlosigkeit, Scham und Angst sind solche Gefühle. Zwänge können helfen diese Gefühle zu reduzieren oder ihnen aus dem Wege zu gehen und Angst zu vermeiden. Kurzfristig wird der Patient also durch die Durchführung des Zwangsrituals „belohnt“, da die innere Unruhe, Anspannung und Angst kurzfristig nachlassen.

Solch emotionale Schwierigkeiten können oft gemeinsam mit anderen Störungen auftreten, wie

  • Stimmungsschwankungen, vor allem Depressionen
  • Tic-Störung
  • Tourette-Syndrom
  • Panikstörung / Angststörung
  • Soziale Phobie
  • Persönlichkeitsstörungen
  • Körperdysmorphe Störung (übermäßige Beschäftigung mit dem eigenen Äußeren)
  • Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHS)
  • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
  • Essstörungen

 

Was macht Dich möglicherweise für Zwänge empfänglich?

Im Zusammenspiel mit der Persönlichkeit und den biologischen Voraussetzungen kann die Erziehung zur Entstehung der Zwangsstörung beitragen. Kinder, die eher ängstlich sind, werden durch über behütendes Verhalten der Eltern zusätzlich verunsichert. Sie lernen von den Eltern, bedrohliche Situationen zu meiden, anstatt sich ihnen zu stellen. Auch Eltern, die sehr kritisch mit den Kindern sind oder perfektionistische Ansprüche haben, können eine Zwangsstörung fördern.

Auslöser einer Zwangsstörung sind häufig belastende Ereignisse. Jegliche Überforderung erzeugt den Wunsch nach Kontrolle. Wenn die Situation für die Person jedoch nicht zu bewältigen ist, dienen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen zum einen als Ablenkung. Zum anderen verschaffen Zwangsgedanken und – handlungen Personen, die ängstlich sind und ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit haben, die Illusion, im Grunde unkontrollierbare Ereignisse kontrollieren zu können. Sie hoffen zum Beispiel, durch bestimmte Rituale, Unglücke abwenden zu können.

Wie viele sind von Zwangsstörungen betroffen?

Etwa zwei bis drei Prozent aller Erwachsenen in Deutschland leiden im Laufe ihres Lebens unter  mehr oder weniger ausgeprägten Zwangsstörungen. Zu 85 Prozent tritt die Erkrankung vor dem 30sten Lebensjahr auf, ein Beginn nach dem 40sten Lebensjahr ist   selten. Im Erwachsenenalter scheinen Frauen ein etwas höheres Erkrankungsrisiko zu besitzen, wohingegen bei den Kindern das männliche Geschlecht eher betroffen ist. Schätzungen zufolge  liegt die tatsächliche Anzahl der Erkrankten aber höher. Somit ist die Zwangsstörung eine relativ häufig auftretende Erkrankung. Zwangsstörungen entwickeln sich zwar häufig bereits im Kindesalter und bei jungen Menschen. Grundsätzlich aber kann sich eine Zwangsstörung in jeder Lebensphase entwickeln. Denn Betroffene  suchen oft erst dann einen Arzt auf, wenn die Zwangsstörung den Alltag  erheblich beeinträchtigt.

Gibt es Zwangsstörungen auch schon bei Kindern?

Die ersten Zwangssymptome treten häufig schon im Kindes- und   Jugendalter auf. Die Häufigkeit bei Kindern und Jugendlichen liegt  bei etwa ein bis drei Prozent.  Wenn Kinder oder Jugendliche Zwangserkrankungen entwickeln, kann das für sie äußerst belastend und quälend sein – auch weil sie die zwanghaften Handlungen häufig kaum deuten oder einschätzen können.

Kinder greifen im Verlauf ihrer Entwicklung phasenweise auf abergläubisches Verhalten oder Rituale zurück. Solche Entwicklungsrituale können zunächst als Teil einer normalen Entwicklung betrachtet werden – insbesondere, wenn sie im Rahmen von Veränderungen auftreten, wie dem Wechsel vom Kindergarten in die Schule oder einem Umzug. Scheinbar nehmen sinnlose Rituale oder Spiele jedoch einen großen Raum ein und betroffene Kinder zeigen zusätzliche Verhaltensauffälligkeiten, kann hinter diesem Verhalten eine Zwangsstörung stecken, um Struktur und Sicherheit zu empfinden. Problematisch ist es jedoch, wenn die betroffenen Kinder insgesamt einen bedrückten Eindruck machen, sich zurückziehen, stundenlang scheinbar unsinnige Handlungen vornehmen und kaum mehr zugänglich sind. Eltern sollten dann einen Kinder- und Jugendpsychiater zur Rate ziehen. Häufige Zwangssymptome sind Wasch- und Putzzwänge sowie Kontroll-, Ordnungs- oder auch Zählzwänge. Die Kinder wiederholen dabei ständig die gleichen Handlungen, kontrollieren z. B. Fenster und Türen, zählen bestimmte Gegenständen immer wieder oder stehen sehr lange unter der Dusche. Dabei achten die Kinder meist hartnäckig auf eine exakte Durchführung der Zwangsrituale.

Umweltfaktoren

Auch schwerwiegende traumatische Erlebnisse, wie zum Beispiel sexuelle Übergriffe oder Gewalterfahrungen, die mit intensiver Angst und Ekel verbunden sind, können bei der Entstehung von Zwangssymptomen eine Rolle spielen. Darüber hinaus können sich Zwänge infolge neurologischer Gehirnverletzungen, Schlaganfällen oder Schädel-Hirn-Traumata entwickeln. Nach neuesten Erkenntnissen spielen allgemein schwere Infektionen im Kindesalter sowie Autoimmunerkrankungen ursächlich eine Rolle, indem sie das Risiko für psychische Erkrankungen und auch Zwangsstörungen erhöhen können. Große Registerstudien aus Skandinavien konnten belegen, dass Kinder mit einem positiven Streptokokkentest ein höheres Risiko hatten, später an Zwängen oder Tics zu leiden, als wenn sie einen negativen Streptokokkentest hatten.

Erbanlagen

Möglicherweise haben Betroffene eine gewisse genetische Veranlagung für das Ausbilden von Zwangssymptomen. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass für Angehörige von Menschen, die an einer Zwangsstörung leiden, ein 3- bis 12-fach erhöhtes Risiko besteht, ebenfalls an einer Zwangsstörung zu erkranken. Womöglich ist dieser genetische Einfluss bei Zwangsgedanken und bei einem frühen Beginn der Störung besonders hoch. Heute wird zudem davon ausgegangen, dass Zwänge mit einer Überaktivität in bestimmten Hirnregelkreisen einhergehen, so dass automatische Handlungsimpulse schlechter gehemmt werden können.

Wenn ein oder beide Elternteile an einer Zwangserkrankung leiden, so ist das Risiko, ebenfalls an einer Zwangsstörung zu erkranken, bei den Kindern erhöht. Zwangsstörungen treten in Familien gehäuft auf. Zudem sprechen Ergebnisse aus Zwillingsstudien für eine wichtige Rolle genetischer Ursachen. In Zwillingsstudien werden eineiige Zwillinge mit zweieiigen Zwillingen in Hinblick auf Unterschiede ihres Erkrankungsrisikos verglichen. Da aber auch viele Mitglieder von belasteten Familien gesund bleiben, wird der genetische Zusammenhang eher gering eingeschätzt. Unklar ist dabei auch, zu welchem Anteil die Kinder durch Modelllernen Zwänge von ihren Eltern übernehmen.

Biologische Faktoren

Als Ursache bei Zwangsstörungen wird auch eine Störung des Gleichgewichtes von Neurotransmittern diskutiert.  Neurotransmitter sind Botenstoffe, die Signale zwischen den Nervenzellen  weitergeben. Es gibt verschiedene Arten von Neurotransmittern. Auch scheinen diese bestimmte Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter, v.a. Serotonin, aber auch Noradrenalin) nicht ausreichend vorzuliegen, was den positiven Effekt einer begleitenden medikamentösen Behandlung bei schweren Zwangsstörungen erklärt. Für die  Aktivitäten im Gehirn, die bei Zwangsstörungen ablaufen, sind besonders Serotonin und Dopamin interessant. Beide Botenstoffe spielen auch bei Depression eine Rolle und sind unter anderem für Stimmung, Impulsivität, Sexualität und Angst mitverantwortlich.

In bildgebenden Verfahren (MRT- und PET-Untersuchungen) konnte eine Veränderung in bestimmten Gehirnarealen bei Betroffenen gezeigt werden, inwiefern diese Veränderungen aber Ursache oder Folge der Erkrankung ist, ist nicht sicher zu sagen.

Psychologische Faktoren Erziehungsstile

Entscheidend für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Zwangserkrankungen sind bestimmte Lernerfahrungen, Lebensereignisse und Persönlichkeitsfaktoren. Hinzu kommen in der Lerngeschichte die Persönlichkeitsfaktoren, die zum Teil angeboren, zum größten Teil jedoch in der Kindheit entstehen. Selbstunsicherheit, eine Neigung zum Katastrophendenken, hohe moralische Standards, eine übermäßige Angst vor Ablehnung und starke Selbstzweifel sind Gedanken, die zu diesen Persönlichkeitsfaktoren gehören und die eine Zwangsstörung mitverantworten können. Häufige Kindheitserfahrungen, die Menschen mit Zwängen gemacht haben, sind seitens des Elternhauses hohe Leistungserwartungen und Strenge, hohe moralische Standards und ein eher über beschützender Erziehungsstil, welcher wenig Autonomie ermöglichte. Als überdauernde Persönlichkeitsfaktoren können bei den Betroffenen dann z.B. Perfektionismus, verinnerlichte hohe Standards, erlebte hohe Verantwortlichkeit, Ängstlichkeit und hohe Angepasstheit an Normen und Wertvorstellungen entstehen.

Experten gehen davon aus, dass bestimmte Faktoren in der Erziehung oder persönliche Lernerfahrungen bei der Entstehung von Zwängen mitwirken. Dazu zählen beispielsweise eine übertriebene Sauberkeitserziehung und ein ängstlicher Erziehungsstil. Auch berichten Zwangsbetroffene gehäuft von früher körperlicher und emotionaler Vernachlässigung und frühen Verlusten von Bezugspersonen, beispielsweise ein früher Tod eines Elternteils. Bei vielen Betroffenen spielen Trennungs- und Verlustängste eine Rolle, ganz besonders auch bei Sammelzwängen (Pathologisches Horten, im englischen „Hoarding Disorder“).

Ereignisse in der Lebensgeschichte

Treten im Lauf des Lebens außergewöhnliche Belastungen auf (zum Beispiel körperliche oder sexuelle Gewalt, emotionale Vernachlässigung, der frühe Tod eines Elternteils), kann bei bereits verunsicherten Menschen ein starkes Überforderungsgefühl entstehen. Häufig finden sich emotional belastende Lebensereignisse, die mit intensiven, negativen Emotionen verbunden sind. Dazu gehören einschneidende Belastungen in Partnerschaft und Familie, der Übertritt in einen neuen Lebensabschnitt oder auch eine anhaltende berufliche Überlastungssituation. Über die Zwangssymptomatik wird dann stellvertretend versucht, wieder Kontrolle über eine scheinbar nicht zu bewältigende Situation zu bekommen.

Wie werden Zwangsstörungen aufrechterhalten?

Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Zwang trotz der hohen “ Kosten“ und des Leidens, die er jeden Tag verursacht, ein so hartnäckiger Begleiter werden kann. Ein Grund besteht darin, dass möglicherweise die Faktoren, die zur Entstehung des Zwanges geführt haben, weiterhin bestehen. Ganz entscheidend dafür, dass eine Zwangsstörung aufrechterhalten wird, ist ein sich selbst verstärkender Teufelskreis der Zwangsstörung.

Manchmal sind es auch scheinbar banale Faktoren, die ein Aufrechterhalten der Zwänge ermöglichen. Die Zwänge sind oft stärker, wenn man innerlich unter Anspannung steht, unter Zeitdruck ist, wenig geschlafen hat etc. Hier kann eine Protokollierung der Zwänge dazu dienen, ungünstige Lebensgewohnheiten zu identifizieren. Häufig hat eine psychische Störung, neben dem Leiden, das sie verursacht, „positive“ Nebeneffekte für die Betroffenen. Z.B. kann es sein, dass der Zwang dabei „hilft“, sich mit bestimmten schwierigen Situationen und Defiziten nicht auseinandersetzen zu müssen. In diesen Fällen spricht man von einer „Funktionalität“ des Zwanges. Vielleicht ist der Zwang erstmalig in einer Lebensphase aufgetreten, in welcher der*die Betroffene sich vermehrt gegen die Anforderungen der Mitmenschen abgrenzen musste. Wenn diese Abgrenzung schwer fällt, kann der Zwang die schwierige Aufgabe der Abgrenzung für den Erkrankten übernehmen. Auch geben die Zwangsrituale eine gewisse Sicherheit und Gewohnheit für die Betroffenen.

Der Teufelskreis der Zwangsstörung

Entscheidend für die Aufrechterhaltung des Zwanges sind vor allem Gedanken, die während einer Zwangshandlung auftreten, sowie die gedanklichen und gefühlsmäßigen Folgen der Zwangshandlung.
Man geht davon aus, dass aufdringliche Gedanken (z.B. „Ist der Herd aus?“) zunächst völlig normal sind und bei vielen Menschen vorkommen. Problematisch wird ein aufdringlicher Gedanke dadurch, dass ihm eine abnorme und mit Gefahr verbundene Bedeutung zugeschrieben wird. Diese Interpretation führt dann zu Angst und Unruhe, der Betroffene erlebt einen starken Handlungsbedarf („Ich muss das kontrollieren, sonst passiert etwas Schlimmes und ich bin schuld!“). Wird dem Handlungsimpuls dann nachgekommen, d.h. wird z.B. die Kontrollhandlung ausgeführt, führt dies zu einer kurzzeitigen Beruhigung. Gleichzeitig ist das Ausführen der Kontrollhandlung aber auch ein Signal dafür, dass die hohe Bedeutung des Gedankens angemessen war („Gut, dass ich noch mal nachgeschaut habe, wer weiß, was sonst passiert wäre!“). Auf diese Weise ist ein Teufelskreis entstanden, der den Zwang aufrechterhält, und der im Verlauf der Behandlung durchbrochen werden muss.

Meist geht der Zwangsstörung eine besonders belastende Erfahrung oder Lebenskrise voraus. Mithilfe des Zwangsrituals gewinnt der betroffene das verlorene Gefühl der Sicherheit zurück.  Die äußere Verunsicherung wird durch eine innere Struktur ausgeglichen. Doch diese Sicherheit ist trügerisch:  Wird das Ritual nicht ausgeführt, kommt die Angst mit Macht zurück. Langfristig wird sie immer stärker – dadurch verstärkt sich wiederum die Zwangsstörung – ein Teufelskreis.

Kann eine Zwangsstörung behandelt werden? 

Eine Zwangsstörung entwickelt sich nicht plötzlich, sondern im Laufe der Zeit wodurch ein Krankheitsverlauf entsteht. Viele Menschen mit Zwängen erkennen erst nach und nach, dass ihre Rituale immer mehr Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Eine fortgeschrittene Zwangsstörung kann zu wachsenden Problemen in Beruf, im privaten Umfeld und der Partnerschaft führen. Bei manchen Betroffenen ist irgendwann das gesamte Leben von Zwängen und Ritualen bestimmt.

Wie sich eine Zwangsstörung entwickelt, ist individuell verschieden. Die Beschwerden können zeitweise abnehmen, um sich dann wieder zu verstärken. Manche Betroffene erleben auch beschwerdefreie Wochen oder Monate. Auch die Art der Zwänge kann sich im Krankheitsverlauf verändern. Unter Stress verschlimmern sich die Symptome. Dennoch sind mit dem heutigen Stand der Psychotherapie und bestimmter Medikamente die Chancen auf eine Verbesserung der Symptomatik deutlich gestiegen. Eine schlechtere Prognose haben Betroffene, die zusätzlich an Depressionen leiden.

Unbehandelt wird eine Zwangsstörung häufig chronisch. Ein Großteil der Betroffenen ist daher auf professionelle Hilfe angewiesen, um die Kontrolle über das eigene Leben wiederzuerlangen. Die Therapie von Zwangsstörungen ist individuell und richtet sich nach Schwere und Art der Störung.  Infrage kommen eine psychotherapeutische (verhaltenstherapeutische)  Behandlung und eine medikamentöse Therapie. Häufig wird beides  kombiniert.

Früher galten Zwangsstörungen als kaum behandelbar. Inzwischen lassen sich die Symptome meist auf ein erträgliches Maß reduzieren. Je früher die Therapie einsetzt, desto besser ist die Prognose. Langzeitstudien haben gezeigt, dass sich der Zustand von etwa zwei Drittel der therapierten Patienten auch noch zwei bis sechs Jahre nach Therapieende im Vergleich zu früher gebessert oder sehr gebessert hat. Eine vollständige Heilung der Zwangsstörung ist jedoch sehr selten.

Welche Risiken können Zwangsstörungen haben? 

Eine Zwangsstörung ist belastend und kann sehr viel Zeit kosten. Die Zwänge können sogar so stark werden, dass ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Darüber hinaus schämen sich Menschen mit einer Zwangsstörung häufig für ihre Zwangsgedanken oder -handlungen. Viele Betroffene versuchen deshalb, ihre Zwänge vor anderen zu verheimlichen. Das kann äußerst kräftezehrend sein und belastet zusätzlich. Auch kann eine Zwangsstörung den Alltag dominieren, da solch Zwangsrituale zeitaufwendig und zeitintensiv auswirken kann.

Viele Menschen mit einer Zwangsstörung zögern lange, bevor sie sich Hilfe holen und ihrem Partner oder anderen Nahestehenden davon erzählen. Manche Betroffene sorgen sich, was es für das Berufs- und Familienleben bedeuten könnte, als psychisch krank eingestuft zu werden. Demgegenüber bedauern es viele Betroffene nach erfolgreicher Behandlung, dass sie nicht schon deutlich früher Hilfe gesucht haben.

Wie können Angehörige, Freunde bzw. die Familie helfen?

Eine Zwangsstörung ist nicht nur für den Patienten eine Belastung, sondern auch für alle, die mit ihm zusammenleben. Die zeitaufwendigen Zwangshandlungen gehen auch zulasten der Partner und Familie. Mitunter wird ihnen sogar abverlangt, sich dem Zwang zu unterwerfen, indem sie beispielsweise überzogene Hygieneregeln einhalten sollen. Angehörige werden durch die Zwangsstörung beeinflusst. So können sie sich beispielsweise gezwungen fühlen, ein bestimmtes Ordnungsmuster einzuhalten, um den Betroffenen nicht mit vermeintlicher Unordnung nervös zu machen. Doch gerade die eigene Familie kann eine wichtige Hilfe sein: Denn Angehörige zeigen in der Regel weit mehr Verständnis für die Erkrankung als Außenstehende. Wenn die Familie in die Therapie eingebunden ist, kann es leichter fallen, sich den Ängsten und Zwängen zu stellen. Das kann auch nach Beendigung der Therapie ein wichtiger Faktor sein, um den erreichten Erfolg langfristig zu erhalten.

Folgende Ratschläge können helfen, mit der schwierigen Situation fertig zu werden:

  • Das Zwangsritual lässt sich vom Patienten willentlich nur begrenzt und mit großem Kraftaufwand kontrollieren. Die Aufforderung, sich zusammenzureißen, oder Diskussionen über die Sinnlosigkeit des Tuns helfen daher nicht weiter. Das einzig wirklich Hilfreiche ist eine Therapie.
  • Ermutigen Sie daher Ihren Angehörigen, sich therapeutische Hilfe zu suchen.
  • Unterstützen Sie Ihren erkrankten Angehörigen nicht in seinem Ritual. Helfen Sie ihm beispielsweise nicht, vor dem Verlassen des Hauses sämtliche Elektrogeräte zu kontrollieren oder Dinge für ihn zu zählen, um ihn zu beruhigen. Auf Dauer stabilisieren Sie dadurch nur das Zwangsverhalten.
  • Loben Sie ihn für Fortschritte, aber kritisieren Sie ihn nicht, wenn sich die Symptome auch wieder einmal verstärken – beispielsweise, wenn der Betroffene unter Druck steht. Solche Schwankungen in der Symptomstärke sind normal.
  • Lassen Sie sich vom Zwang Ihres Angehörigen nicht vereinnahmen. Gehen Sie weiterhin Ihren Hobbys nach, treffen Sie Freunde und versuchen Sie, auch mit dem Zwangserkrankten im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zu unternehmen.
  • Geben Sie Ihrem erkrankten Angehörigen klare Grenzen vor für das, was Sie bereit sind, in Kauf zu nehmen, und was nicht.
  • Wenn Sie mitunter entnervt und zornig sind – und das ist unvermeidlich – machen Sie deutlich, dass sich dies auf die Symptome bezieht und nicht auf Ihren Angehörigen.

Wie wird eine Zwangsstörung behandelt?

Die Diagnose wird anhand der typischen Symptome gestellt. Als Therapie kommen in erster Linie kognitive Verhaltenstherapie, aber auch Medikamente infrage – eine Kombination der beiden Verfahren wird ebenfalls eingesetzt. Die Behandlung hilft in der Regel, die Zwangssymptome auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, ganz vertreiben lassen sie sich meist nicht. Aber es kommt zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität.

Wirksamste Therapie: Kognitive Verhaltenstherapie

Die wirksamste Behandlungsform ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Wie funktioniert die kognitive Verhaltenstherapie? Vereinfacht gesagt setzt sich der Betroffene mit Unterstützung eines Therapeuten Schritt für Schritt genau den Reizen oder Situationen aus, die üblicherweise seine Zwänge auslösen Exposition (auslösender Reiz oder Gedanke wird dargeboten) und Reaktionsmanagement („wie reagierte ich darauf?“, „wie könnte ich noch reagieren?“). Dabei erlernt der Patient alternative Möglichkeiten (Reaktionsmanagement) des Umgangs mit den dabei auftretenden Gefühlen (Emotionen) und erfährt eine Überprüfung der an der Aufrechterhaltung der Zwänge beteiligten Überzeugungen und Befürchtungen (beispielsweise die Befürchtung, dass die ausgelösten Emotionen nicht ausgehalten oder nie mehr weggehen könnten). Das erfordert sehr viel Mitwirkung des Patienten. Er muss sich bewusst dafür entscheiden, vorübergehend sogar mehr Angst und Anspannung zu erleben. Es macht keinen Sinn, wenn er dazu gezwungen wird oder seinem Therapeuten zuliebe mitmacht. Denn der Patient muss die Übungen später auch selbständig in seinem Alltag umsetzen. Im weiteren Verlauf der spezifischen Behandlung der Zwangserkrankung lernt der Betroffene zu verstehen, welche Funktion die Zwänge für ihn haben.

Neuere Therapieverfahren: Achtsamkeitsbasierte Therapie

Auch in der Behandlung von Zwangsstörungen haben sich achtsamkeitsbasierte Übungen (Achtsamkeitstherapie) aus  dem Bereich der Acceptance-Commitment-Therapy (ACT) beziehungsweise der  Mindfulness-based Stress-Reduction (MBSR) bewährt. Betroffene werden  beispielsweise angeleitet, eine annehmende und gegenwartsbezogene  Haltung gegenüber ihren Zwangsgedanken einzunehmen. Sehr häufig zeigt  sich als Ergebnis der Therapie eine deutlich verbesserten Toleranz der  Betroffenen gegenüber ihrer unangenehmen Gedanken und Gefühlen. Diese  werden nun als natürlicher Bestandteil des Lebens angenommen.

Medikamenten

Medikamente aus der Gruppe der Antidepressiva (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer – SSRI und nicht selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – Clomipramin)  können Zwänge mindern. Die Wirkstoffe verstärken den Effekt des  Botenstoffes Serotonin im Gehirn. Sie werden gegen Depressionen verschrieben, kommen aber auch bei Zwangsstörungen zum Einsatz, dann üblicherweise in höherer Dosis. Die Dosierung wird vom behandelnden Arzt festgelegt. Bei knapp der Hälfte der mit SSRI behandelten Patienten kommt es zu einem Rückgang der Symptome. Die Wirkung ist insgesamt nur mäßig ausgeprägt. Die Wirkung tritt allerdings erst nach sechs bis acht Wochen ein. Falls die Medikamente helfen, werden sie üblicherweise für ein bis zwei Jahre verordnet.

Die Erfolgsaussichten der Behandlung sind unterschiedlich. Vollständig beseitigen lassen sich Zwangsstörungen oft nicht. Meist können die Zwänge aber auf ein erträglicheres Maß gebracht werden. Dadurch kann es insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität kommen.

Selbsthilfegruppen

In Selbsthilfegruppen haben Patienten und ihre Angehörigen die  Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Sie können  Unterstützung finden und sich gegenseitig Hilfestellung geben.  Informationen, Adressen und aktuelle Literaturempfehlungen vermittelt zum Beispiel die Deutsche  Gesellschaft für Zwangserkrankungen e.V.: http://www.zwaenge.de/therapie/frameset_therapie.htm

Fazit: Darum sollten Sie unbedingt mit einem Experten reden!

Wer von Zwangsstörungen betroffen ist, sollte sich über das Krankheitsbild informieren, denn allein ein Wissen und Verständnis, dass es sich bei Zwängen um krankhafte Phänomene handelt, kann sehr entlastend wirken. Wer sich darüber hinaus noch genauer informieren will, kann heute auf eine Vielzahl guter Ratgeber zurückgreifen, die von Experten verfasst wurden.

Wenn dies nicht ausreicht, das heißt das Leben durch die Zwänge deutlich beeinträchtigt ist, ist eine Therapie zu empfehlen. Die Therapie der ersten Wahl ist eine kognitive Verhaltenstherapie. Grundsätzlich gilt, dass zunächst eine ambulante Therapie versucht werden sollte. Am besten wäre es hier, wenn der Therapeut (Verhaltenstherapie) viel Erfahrung in der Behandlung von Zwangsstörungen hat.

 

Jetzt kostenloses erst Gespräch vereinbaren! 

Viele Betroffene, die sich für eine professionelle Behandlung entscheiden, suchen eine Psychotherapie auf, dies kann meist zu langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz führen. So entsteht eine Demotivation sich Hilfe zu suchen oder Ungeduld auf die Hilfe zu warten. Manch anderer empfindet Hemmungen, Scham und Angst sich persönlich jemanden vorzustellen und sich zu öffnen. Stark belastende Menschen können aufgrund deren Überforderungen, Frust und Zwangssymptome keine Kraft mehr aufwenden, um einen Therapeuten aufzusuchen. Oft ist hier direkte Therapeutenbegleitung nur schwer möglich. Das  Internet kann dann allerdings Abhilfe schaffen, indem der Patient über  Video professionell unterstützt wird (internetbasierte Therapie auch Interapy genannt).

Hier kann eine Online Psychotherapie, die verhaltenstherapeutisch ausgerichtet ist sinnvoll sein. Die Therapie erfolgt telefonisch oder per Video und arbeitet mit Hausaufgaben und praktische Übungen, die im Alltag umgesetzt und angewendet werden kann. Die Übungen fokussieren in der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und haben folgende Strategien im Vordergrund.

  • Aufdecken und Konfrontation mit den auslösenden Reizen (Exposition von Zwängen)
  • Verminderung (Reduktion) von Zwangshandlungen
  • Bearbeitung fehlerhafter Gedanken und Überzeugungen

Die Online Psychotherapie von Interapy4you bietet Online Hilfe und Beratung an. Für weitere Information besuchen Sie meine Webseite Interapy4you.